Abstract
In the last decades, the number of international and transnational regulatory institutions has risen significantly. These new forms of regulation challenge the traditional criterium of democracy: the congruence of the governing and the governed. Consequently, regulation in the transnational space needs to be assessed critically with respect to its democratic qualities. In this paper, I will analyze the sources of legitimacy that these two forms of regulation may rely on. It is the assumption that legitimacy functions as a precondition for democratic governance beyond the nation state. The paper focuses on the development of an analytic framework for assessing the legitimacy sources of international and transnational regulation. In a second step, the framework will be applied to analyze the cases of international labour standards regulation by the International Labour Organization and the Fair Labor Association. It will be found that both kinds of regulatory institutions rely on mostly the same sources of legitimacy.
Inhaltsverzeichnis
2 Legitimität internationaler und transnationaler Regulation
2.1 Internationale und transnationale Regulation
2.2 Legitimitätsbegriff
3 Vergleich internationaler und transnationaler Regulation
3.1 Vergleichsdesign
3.1.1 Grundannahmen
3.1.2 Input-Dimension
3.1.3 Output-Dimension
3.2 Analyse
3.2.1 Internationale Regulation: International Labour Organization
3.2.2 Transnationale Regulation: Fair Labor Association
3.3 Ergebnisse des Vergleichs
4 Schluss
Literatur
1 Einleitung
Beobachtet man die Entwicklung der globalen Politik in den letzten 20 Jahren wird deutlich, dass die Art und Weise wie Politik betrieben wird, starken Transformationsbewegungen ausgesetzt ist. Mit zunehmender Interdependenz und dem Zusammenwachsen von politischen Lebens- und Handlungsräumen verlieren die traditionellen Nationalstaaten mehr und mehr jene Eigenschaft, die sie ausmacht: das Setzen von kollektiv bindenden Regeln und die Bereitstellung von Kollektivgütern kann immer weniger auf rein nationalstaatlicher Ebene geschehen. Da politisch zu lösende Problemlagen kaum noch durch nationalstaatliches Regieren allein bewältigt werden können, stellt sich die Frage, wie „Regieren jenseits des Nationalstaats“ (Zürn 1998) gelingen kann.
Diese Verlagerung von staatlichem Regierungshandeln erschafft einen transnationalen Regierungsraum, in dem Probleme grenzüberschreitend diskutiert werden. Dieser Regierungsraum ist transnationalen Charakters, da in ihm nicht nur Staaten international agieren, sondern weitere – vor allem zivilgesellschaftliche und profit-orientierte – Akteure handeln. Dieser transnationale Regierungsraum ist zunehmend der Schauplatz von praktischem Regieren, also der Setzung von kollektiv bindenden Regeln und der Bereitstellungvon Kollektivgütern über die Grenzen von Nationalstaaten hinweg. Deswegen müssen sich Prozesse und Entscheidungen, die hier getroffen werden, an demokratischen Maßstäben messen lassen. Der elementare Maßstab der hier angelegt werden kann, ist ob die Kongruenz zwischen Regierenden und Regierten (vgl. z.B. Held 1995b, 103) aufrecht erhalten wird. Wie die bisher existierenden Institutionen in diesem Kontext zu bewerten sind, ist umstritten (vgl. z.B. Zürn 2000; Keohane, Macedo & Moravcsik 2009). Ebenso umstritten sind die Konsequenzen, die aus dem Missstand zu ziehen sind (vgl. z.B. Held 1995a; Held et al. 1999; Anderson 2002; McGrew 2002; Dingwerth 2007). Schlagwortartig formuliert: Ist die Demokratisierung des transnationalen Regierungsraums möglich?
Ein Phänomen der eben beschriebenen Prozesse sind die wachsende Zahl internationaler Regulationen, in denen staatliche Akteuren den Regulationsprozess dominieren und transnationaler Regulationen, in denen nichtstaatliche Akteure als Regulationsakteure auftreten. Diese Regulationstypen gewinnen mit dem Ende der 1980er Jahren zunehmend an Bedeutung. Besonders gestiegen ist die Zahl solcher regulativer Institutionen, die nicht allein von Staaten, sondern von privaten, gewinnorientierten und zivilgesellschaftlichen Gruppen selbstständig oder in Kooperation gegründet und umgesetzt werden (vgl. Abbott &Snidal 2009, 50ff.). Beide Formen von Regulationen sind Institutionen, die im transnationalen Regierungsraum Regierungshandeln durch Regelsetzung ausführen. Deswegen müssen auch sie sich an demokratischen Kriterien messen lassen. Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich die Legitimität dieser Regulationsinstitutionen untersuchen. Legitimität, beziehungsweise die Legitimation von in Institutionen gesetzten Regeln, ist aus meiner Sicht eine notwendige Bedingung für die Demokratisierung des transnationalen Raums. Genauer soll vergleichend untersucht werden, welche Legitimationsquellen den beiden Regulationstypen zur Verfügung stehen und welche von beiden genutzt werden.
Im Zentrum dieser Arbeit steht die Entwicklung eines Analyserahmens mit dem internationale und transnationale Regulationsinstitutionen bezüglich ihrer Legitimationsquellen verglichen werden können. Dazu werde ich zunächst die Charakteristika der beiden Regulationsformen herausarbeiten und anschließend den Legitimitätsbegriff diskutieren. Der Analyserahmen wird dann anhand zweier Einzelfallstudien angewandt. Verglichen werden dabei die Regulationen von internationalen Arbeitsstandards durch die International Labour Association (ILO) und die Fail Labour Association (FLA). Die Ergebnisse des Vergleichs lassen die Aussage zu, dass beide untersuchten Regulationsformen sich auf die selben Regulationsquellen stützen können und dass keine starken Unterschiede zwischen den beiden Institutionstypen festzustellen sind.
2 Legitimität internationaler und transnationaler Regulation
In diesem Abschnitt werde ich versuchen, die theoretischen Grundannahmen zu erläutern auf denen mein Vergleichsdesign aufbaut. Dazu werde ich zunächst die Phänomene internationale und transnationale Regulation näher erläutern. Anschließend werde ich mein Legitimitätsverständnis kurz skizzieren.
2.1 Internationale und transnationale Regulation
Unter Regulation verstehe ich hier wie Mattli & Woods (2009a, 1) „the organization and control of economic, political, and social activities“. Regulation ist also ein relativ breites Konzept. Relevant für Regierungshandeln wird Regulation besonders dann, wenn Regeln für eine größere Menge von Individuen als kollektiv bindend anerkannt werden und wenn durch die Regulation Effekte entstehen, die auch auf Individuen wirken, die nicht zu den an der Regulation beteiligten Stakeholdern gehören. Letzteres ist von besonderer Bedeutung, wenn die beschriebenen Effekte sich nachteilig für bestimmte Gruppen von Individuen auswirken. Regulation kann auf verschiedenen Ebenen des sozialen Systems auftreten.
Regulation, so Abbott & Snidal (2009, 46) läuft dabei in den folgenden fünf Phasen ab: i) Agenda-Setting, also der Phase, in der ein Thema als problematisch thematisiert wird und dadurch ein Handlungsbedarf deutlich wird, ii) Verhandlung und Aushandlung der Regeln, iii) Implementation, also die Umsetzung der gefundenen Regeln, iv) Überwachung der Regeleinhaltung sowie v) die Durchsetzung der Regeln, evtl. durch Zwangsmaßnahmen oder weitere Verhandlungen. Auf der Ebene des Nationalstaates kann Regulation als ein Standardmodus staatlichen Regierens verstanden werden. Gesetze regeln das Verhalten von Bürgern in bestimmten Bereichen. Alle Bereiche der oben genannten Definition werden dabei in typischen demokratischen Republiken abgedeckt. Meinungsbildung wird durch Wahlen und eine aktive Öffentlichkeit gewährleistet. Regeln werden in festgelegten Verfahren durch legislative Institutionen entworfen. Die gefundenen Regeln werden von exekutiven Institutionen implementiert und durchgesetzt. Eine unabhängige Judikative überwacht die Regeln.
Interessant für diese Arbeit wird Regulation besonders dann, wenn sie die nationalstaatliche Ebene verlässt, wenn also ökonomische, politische oder soziale Aktivitäten mit Regeln versehen werden, die über Staatsgrenzen hinaus gelten sollen. Für Regulationen dieser Art stehen bisher keine festen Institutionen für Agenda-Setting, Regelsetzung, Implementation, Überwachung und Durchsetzung von Regeln zur Verfügung; jedenfalls nicht in dem Maße, wie dies in Nationalstaaten der Fall ist. Besonders in den Bereichen Implementation, Überwachung und Durchsetzung sind – verglichen mit dem nationalstaatlichen Modell – Schwächen zu erwarten. Dies trifft für alle Formen dieser „neuen Governance“ (Risse 2007) zu, da sie nicht auf hierarchische Steuerungsformen zurückgreifen können, sondern auf die Schaffung positiver Anreize, Verhandlung und Überzeugung, also auf nicht-hierarchische Steuerungsformen angewiesen sind.
Trotzdem, so meine Annahme, haben auch die Regulationsformen im transnationalen Raum ein Legitimitätsbedürfnis. Dieses begründet sich in der Stärke der Effekte, die die gesetzten Regeln auf Individuen ausüben. Staatliche Regulation hat den stärksten Effekt, da Staaten in allen Lebensbereichen einen Rechtsrahmen vorgeben, soziale und materielle Umverteilung veranlassen und Freiheitsrechte einschränken können. Supranationale Organisationen, beispielsweise die Europäische Union, lösen mittlere Effekte aus. In bestimmten Politikbereichen können sie ebenfalls einen Rechtsrahmen vorgeben (siehe den Europäischen Gerichtshof) sowie Umverteilungseffekte (z.B. In Bereich der Agrarsubvention) auslösen. Internationale und transnationale Regulationen können durch ihre Regeln immerhin noch schwache Effekte auslösen, die dann auch ein Legitimitätsbedürfnis schaffen. Die Effekte finden sich ebenfalls in beschränkten Bereichen und können indirekte Umverteilungseffekte (z.B. Im Fall der WTO pro handelsorientierter Industrieländer) auslösen und indirekt den Rechtsrahmen (vgl. ebenfalls die WTO Handelsregulation) beeinflussen. Die Effekte sind indirekt vermittelt, da sie entweder durch den Staat durchgesetzt oder toleriert werden. Trotzdem ist der Effekt aber auf die Regelsetzung jenseits des Nationalstaats zurückzuführen.
Zwar können sowohl internationale als auch transnationale Regulationen Effekte erzeugen, die der Legitimation bedürfen, dabei unterscheiden sie sich aber in den Mitteln, mit denen diese generiert werden. Während internationale Regulationen auf hard law basieren können, haben transnationale Regulationen nur die Möglichkeit auf soft law zu setzen. Hard law sind dabei solche Regulationen, in denen die Delegation von Autorität zur Durchsetzung von rechtlich bindenden, präzise formulierten Verpflichtungen möglich ist. Soft law dagegen beschreibt Regulationen, welche die eben genannten Kriterien nicht erfüllen können (Abbott & Snidal 2000, 421f.). Die Probleme transnationaler Regulationen liegen dabei in ihrer begrenzten Kapazität, Autorität zu delegieren. Internationale Regulationen können hier auf die Fähigkeiten der Nationalstaaten zurückgreifen. Da hard- und soft-law-Regulationen unterschiedliche Grade der Verbindlichkeit ihrer Regelungen haben, müssen sie vor einer demokratietheoretischen Folie auch differenziert betrachtet werden. Für transnationale Regulationen besteht ein Legitimationsbedarf dann, wenn sie trotz ihrer soft law Regeln externe Effekte erzeugen und im Schatten von hard law Regeln setzen, also etwa wenn sie staatliche Regelungen ersetzen.
2.2 Legitimitätsbegriff
Wie oben beschrieben ist meine Annahme, dass sich internationale und transnationale Regulationstypen verschiedener Legitimationsquellen bedienen können, um die von ihnen gesetzten Regeln oder Gemeingüter auch demokratisch rechtfertigen zu können. Wie aber sind Legitimation und Legitimität besonders im transnationalen Raum aufzufassen? Wie kann die Legitimation beider Typen verglichen werden?
Legitimität ist dabei zunächst als die „soziale Geltung als rechtens“ (Kielmansegg 1971, 367) aufzufassen: Regeln, Normen sowie Institutionen, und nicht Akteure (vgl. dazu Risse 2004), können dann als legitim bezeichnet werden, wenn sie von Individuen als rechtmäßig geltende Regeln, Normen und Institutionen anerkannt werden. Eine solche rein deskriptive Definition würde allerdings die normative Dimension von Legitimität ausklammern. Mit den Worten von Hurd (1999, 381) ist Legitimität deswegen auch „the normative belief by an actor that a rule or institution ought to be obeyed.“ Welche normativen Werte und Überzeugungen dabei in jedem einzelnen Fall ausschlaggebend sind ist zwar meist nicht messbar, dennoch ist der Hinweis auf den normativen Gehalt von Legitimität für den nächsten Schritt wichtig.
Der Prozess der Legitimation lässt sich dann als ein Lern- und Überzeugungsprozess auf individueller Ebene (vgl. Hurd 1999; Risse 2007) verstehen. Individuen verfügen durch Sozialisation über einen veränderlichen Satz von normativen Überzeugungen und empirischem Wissen, das sie zur Bewertung von Handlungsoptionen einsetzen können. Wenn sie mit neuen oder modifizierten Regeln konfrontiert werden, bewerten sie diese Regeln aktiv auf der Basis ihrer normativen Überzeugungen und ihres empirischen Wissens als legitim oder illegitim. Legitimation hat also wie Legitimität sowohl eine empirische, wie auch eine normative Dimension. Legitimation kann auf individueller Ebene über eine der beiden Dimensionen erfolgen. Empirisch legitimiert werden beispielsweise solche Regelungen, die aufgrund von empirischem Wissen (z.B. Erfahrungen und Kostenkalküle) als vorteilhaft bewertet werden. Normative Legitimation stützt sich auf vorhandene Wertesysteme, aus denen heraus Regelungen bezüglich ihrer normativen Wünschbarkeit bewertet werden (vgl. Peter 2009, 54f.).
Warum aber ist Legitimität überhaupt ein anzustrebenes Ziel für Regulationsinstitutionen? Legitimation ist neben Zwang und von eigenem Interesse geleitetes Handeln eine Form sozialer Kontrolle (Hurd 1999). Wenn Regeln als illegitim erachtet werden, werden sie von den Individuen nicht befolgt, es sei denn, sie werden mit Zwang durchgesetzt. Da Zwang als Durchsetzungsmodus in den hier zu vergleichenden Modi des Regierens im transnationalen Raum nur begrenzt zur Verfügung steht, wird Legitimation und die Quellen aus denen sie generiert werden kann, zu einer wichtigen analytischen Einheit. Besonders transnationale Regulationen müssen Strategien zum Legitimitätsgewinn entwickeln, da sie über keine oder nur schwach ausgebildete Zwangsmechanismen verfügen.
Was aber sind Legitimationsquellen? Legitimation hat zwei weitere Dimensionen: Input- und Output-Legitimation (vgl. Scharpf 1999). Input-Legitimität beschreibt den prozeduralen Anteil einer Regelsetzung. Eine Regel wird durch einen Prozess gesetzt, der gewissen Regeln und Prozeduren folgt. Genügen diese den Ansprüchen der Regelungsadressaten für einen als rechtens geltenden Prozess, kann auch die Regelung als legitim anerkannt werden, da sie ja einem geregelten Prozess entsprungen ist. Output-Legitimation bedeutet, dass die Ergebnisse der Regelsetzung (also die Regeln selbst, sowie die anvisierten Veränderungen in der sozialen Welt) wegen ihrer Qualität von den Regelungsadressaten als legitim erachtet werden. Der Regelungsoutput wird also unabhängig vom Prozess, durch den er entstanden ist, legitimiert. Umstritten ist allerdings, inwieweit diese beiden Dimensionen überhaupt getrennt voneinander betrachtet werden können. Schließlich wirken die empirischen Elemente eher auf der Output-Seite und die normativen Elemente eher auf der Input-Seite und sie – wie oben ausgeführt – bedingen einander. Bei der analytischen Trennung beider Dimensionen ist dies zu beachten. Legitimationsquellen sind ebenso sowohl auf der Input- als auch auf der Output-Dimension zu suchen. Sie sind solche Eigenschaften von Regelungsprozessen (Input) und Regelungen (Output), die eine Legitimation der Regelungen durch Individuen ermöglichen, beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit der Legitimation erhöhen.
3 Vergleich internationaler und transnationaler Regulation
In diesem Abschnitt versuche ich ein Design zum Vergleich von Legitimationsquellen internationaler und transnationaler Regulation zu entwickeln und anhand von zwei Fallstudien anzuwenden. Dazu werde ich zunächst das Vergleichsdesign entwickeln und operationalisieren. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung von Vergleichskategorien mit deren Hilfe Legitimationsquellen beider Regulationsarten verglichen werden können. Anschließend werden mit Hilfe des Designs die ILO als internationale und die FLA als transnationale Regulation untersucht. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung.
Das im folgenden Teil entwickelte Vergleichsdesign entwickelt Faktoren für die Input- und Output-Dimension. Jeder dieser Faktoren stellt eine Ausprägung der zu erklärenden Variable Legitimität dar. Die Faktoren werden auf kontinuierlichen Skalen mit festen Endpunkten operationalisiert. Alle Faktoren zusammen erfassen Legitimität nach einer family-resemblance-Logik (Goertz 2006, 41). Jeder der Faktoren ist also eine Legitimationsquelle, aber kein Faktor allein ist eine hinreichende Bedingung für die Legitimität der Regeln, beziehungsweise für die tatsächlich zu beobachtende Legitimation der Regeln. Durch die anschließende Operationalisierung werden diese Faktoren für die Fallstudien messbar. Tabelle 1 fasst die Faktoren und deren Operationalisierung zusammen. Zunächst sollen aber einige Grundannahmen besprochen werden.
3.1.1 Grundannahmen
Die folgenden Grundannahmen bilden die Basis für das Vergleichsdesign und sollen Konzepte und Überlegungen verdeutlichen, die das Design begründen:
- Bedingungen der Vergleichbarkeit
- Wie oben schon erläutert, bedürfen transnationale Regulationen aus demokratietheoretischer Perspektive nur dann einer internationalen Regulation ähnlichen Legitimität, wenn sie negative externe Effekte erzeugen und wenn die transnationale Regulation internationale, beziehungsweise staatliche Regulation ersetzt. Wäre eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, wäre die Frage nach der Legitimität freiwilliger Regulationsinstitutionen, die darüber hinaus keine hard-law Regelungen erlassen, weniger von Interesse.
- Stakeholder
- Unter Stakeholdern möchte ich hier alle die Individuen verstehen, deren Handlungsoptionen durch die Regulation oder Nichtregulation eines bestimmten Sachkreises beeinflusst werden. Empirisch muss diese Definition der Stakeholder pragmatisch umgesetzt werden, da zum Beispiel der Kreis derer, die durch Effekte betroffen sind, nicht unbedingt zum Zeitpunkt der Regelsetzung bekannt sein muss. Gleiches gilt etwa für die Antizipation der Effekte auf zukünftige Generationen und unintendierter Konsequenzen, die durch die Regulation entstehen. Stakeholder identifizieren sich in der Regel selbst, indem sie sich an der Regelsetzung beteiligen, oder aber indem sie sich öffentlich zur Regelsetzung äußern.
- Normativität
- Da Legitimität über eine normative Dimension verfügt, wird es schwer fallen, Vergleichsfaktoren zu entwickeln, die nicht ebenfalls normativ sind. Gerade weil Legitimation auch durch die Wertesysteme von Individuen erfolgt, muss antizipiert werden, welcher normative Gehalt von Regelungen am ehesten zur Legitimation beiträgt. Die Entscheidung, welche Normen hier zugrunde gelegt werden ist letztlich nur normativ begründbar. Auf der Input-Seite werden ich auf Normen der Good Governance zurückgreifen (vgl. z.B. Nanda 2006). Ähnliches gilt für die Kriterien zur Bewertung der Output-Legitimität: sie orientieren sich an Prinzipien sozialer Gerechtigkeit (vgl. z.B. Pogge 2001).
3.1.2 Input-Dimension
Wie Beisheim & Dingwerth (2008) will ich Input-Legitimität hier als eine Legitimität von Verfahren erfassen. Input-Legitimität stellt sich folglich als eine Prozesseigenschaft dar. Da Prozesse aufgrund ihrer Komplexität schwer analytisch zu fassen sind, sollen hier die Regeln der Regulationsinstitutionen, die diese Prozesse der Entscheidungsbildung beschränken als Proxy für die Input-Legitimität genutzt werden. Die These ist, dass Regelungen eher als legitime Normen von Individuen internalisiert werden, wenn der Entstehungs- und Verhandlungsprozess der Regulation durch Regeln eingeschränkt wurde, die die folgenden vier Kriterien in hohem Maße erfüllen:
- FIn1 Inklusivität
-
Unter Inklusivität sollen hier institutionellen Regeln verstanden werden, die die Beteiligung aller Stakeholder im Entscheidungsprozess betreffen. Diese Beteiligungsregeln müssen alle Stakeholder im oben genannten Sinne, also auch indirekt Betroffene umschließen, um vollständige Inklusivität zu erreichen. Die Form der Inklusion kann vielfältig ausfallen und reicht etwa von geschlossenen Verhandlungen über der Möglichkeit zur Stellungnahme von bestimmten Stakeholdern bis zu offenen institutionellen Settings, an denen alle Stakeholder teilnehmen können.
Operationalisierung: In der Empirie kann Inklusivität an den bestehenden Beteiligungsregeln gemessen werden. Ebenso sind die institutionellen Settings zur Veränderung und Anpassung der Regeln zu berücksichtigen. Geringe Inklusivität liegt dann vor, wenn gewisse Stakeholder systematisch von der Teilnahme in Regulationen ausgeschlossen werden. Dies ist in einer schon höher inklusiven Institution auch dann der Fall, wenn Teilnahmerechte über Akkreditierung oder ähnliche Mechanismen vergeben werden. Vollständige Inklusivität muss die Teilnahme aller Stakeholder in den Verhandlungsprozessen ermöglichen. - FIn2 Deliberation
-
Mit Deliberation sind hier die Regeln im Verhandlungssetting gemeint, die den Handlungsmodus der Regelsetzung oder Regeländerung beschreiben. Dieser kann zwischen Arguing und Bargaining (Risse 2000), oder Mischformen beider liegen. Im Sinne der oben erläuterten normativen Grundannahmen werden Regeln, die Argumentieren ermöglichen, höher bewertet.
Operationalisierung: Untersucht werden die Regelungen, die den Prozess der Regelsetzung oder Regeländerung steuern. Dabei steht im Fokus inwieweit diese Regeln die Grundvorraussetzungen für Argumentation wahren, nämlich i) dass alle Teilnehmer auch als Diskursteilnehmer anerkannt werden und dass ii) die Teilnehmer mit gleichem Recht Argumente vorbringen und Grundannahmen hinterfragen können (Lose 1998). Das heißt also die Regeln daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie den Austausch von Argumenten zwischen den Verhandlungsteilnehmern einschränken. Das Spektrum kann hier von stark durch Macht strukturierten Verhandlungen (z.B. wenn Rederechte nach Kapitalbeteiligung festgelegt werden) bis hin zu offenen, fast machtfreien Verhandlungssituationen reichen. - FIn3 Transparenz
-
Transparenz soll hier die Regelungen zur Offenheit der Verhandlungen und Entscheidungsfindungsprozesse abbilden. Offenheit bezieht sich dabei hauptsächlich auf das Management des Informationsaustauschs zwischen denen, die im Verhandlungsprozess partizipieren und denen die nicht teilhaben. Interessant ist dabei welche Informationen bereit gestellt werden und welche nicht. So ist etwa eine gänzlich geschlossene Verhandlungsführung möglich, bei der nicht einmal die Verhandlungsergebnisse an einen breiteren Kreis als die teilnehmenden Stakeholder kommuniziert werden. Eine weitere Form ist die selektive Freigabe von Informationen, die vorher von der Institution überprüft wurden. Vollständige Transparenz wäre dann gegeben, wenn neben den Verhandlungsergebnissen auch alle Informationen bereitgestellt werden, die im Aushandlungsprozess entstanden sind.
Operationalisierung: In der Empirie lässt sich Transparenz an den formalen und habituierten Regeln der Informationspolitik der Regulationsinstitution messen. Methodisch ist ein Rückgriff auf die bestehenden Regeln einer bloßen quantitativen Messung von Informationsoutput vorzuziehen. Wichtig ist nicht nur was veröffentlicht wird, sondern es interessiert gerade, zu welchem Grad der Informationsfreigabe sich die Regulationsinstitution selbst verpflichtet. Die Skala reicht hier von keiner Information, über allgemeine Informationen zur Institution (Webseite, Informationsbroschüre mit Zielen), detaillierte Informationen zur Institution (institutioneller Aufbau, Entscheidungsprozesse, Mitgliedschaft, Finanzierung) bis hin zur Offenlegung von Entscheidungsprozessen (Positionspapiere, Tagesordnungen, Gesprächsprotokolle, Abstimmungsergebnisse). - FIn4 Rechenschaftspflicht
-
Rechenschaftspflicht verstehe ich hier als Mechanismen, die den Teilnehmern in der Verhandlung Verantwortung zuweisen. Innerhalb der Organisation wird Rechenschaft über ein System gegenseitiger Kontrolle (Checks and Ballances) und durch regelmäßige Rückbindung zu den Stakeholdern gewährleistet. Die Idee ist hier, dass diejenigen, die innerhalb der Regulationsinstitution Verantwortung tragen, auch innerhalb der Organisation für Fehler – entweder von anderen Organen in der Organisation oder durch die Stakeholder – verantwortlich gemacht werden können. Die Stärke der Rechenschaftspflicht in institutionellen Designs reicht von nicht vorhandener Rechenschaftspflicht (z.B. wenn Vorstände von Stiftungen miteinander verhandeln, die nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet sind), über schwache Rechenschaftspflichten (z.B. wenn innerhalb einer Institution nur unregelmäßige Stakeholder-Rückbindung stattfinden oder die institutionellen Checks and Ballances nur schwach ausgebaut sind) bis zu weitreichender Rechenschaftspflicht (mit vollen Checks and Ballances und regelmäßiger Stakeholder-Rückbindung).
Operationalisierung: Ein starkes Checks-and-Ballance-System besteht dann, wenn es innerhalb der Organisation Organe gibt, die Entscheidungen anderer Organe überprüfen und zurücknehmen können. Dies können Mitgliederversammlungen, Beiräte oder Schiedsgerichtstellen sein. Stakeholder-Rückbindung wird durch regelmäßige Mitgliederversammlungen (im optimalen Fall mit starkem Stimmrecht), Anhörungen oder Mitgliederforen erreicht. Das Kriterium für das Vorliegen von Rechenschaftspflicht ist die durch Regeln gesetzte Möglichkeit, Verantwortliche aus ihren Positionen zu entlassen. Rechenschaftspflicht liegt nicht vor, wenn dies weder durch Checks and Ballances noch durch Stakeholder-Rückbindung geschieht, mittlere Rechenschaftspflicht, wenn dies durch einen der Mechanismen möglich ist und starke Rechenschaftspflicht ist dann gegeben, wenn beide Mechanismen zu Entlassung aus Positionen führen können.
3.1.3 Output-Dimension
Ziel der Faktoren auf der Output-Dimension ist es, zwischen Regulationen zu diskriminieren, die das Ziel der globalen Gerechtigkeit unterschiedlich stark fördern. Untersucht wird der jeweilige, unmittelbare Regelungsoutput mit seinen tatsächlichen, auch nicht-intendierten Konsequenzen, nicht aber mögliche zukünftige Effekte. Die These ist, dass ein Regulationsoutput, der Kriterien der globalen Gerechtigkeit erfüllt, von den Individuen eher als output-legitim internalisiert wird. Dazu müssen die folgenden drei Faktoren erfüllt sein:
- FOut1 Schutz von Kollektivgütern
-
Kollektivgüter können durch den Regulationsoutput bewahrt werden. Regulationen werden dann eher als legitim betrachtet, wenn – so die Annahme – sie ein schützenswertes Kollektivgut bewahren und nicht nur private Bereiche regulieren. Im Gegensatz zu privaten Gütern zeichnen sich Kollektivgüter dadurch aus, dass niemand von der Nutzung des Kollektivgutes ausgeschlossen werden kann. Dies soll hier nicht nur für materielle, sondern auch für immaterielle Güter gelten. Letztere sind beispielsweise auch der Schutz von Rechten (Menschenrechte) oder die Etablierung von Normen (z.B. Artenvielfalt) (vgl. z.B. Attucci 2005). Daraus ergibt sich ein Spektrum von Regulationen, die kein Kollektivgut schützen bis zu Regulationsoutputs, die Kollektivgüter in hohem Maße schützen.
Operationalisierung: Zunächst muss untersucht werden, ob der Regulationsoutput die Absicht hat, Kollektivgüter zu bewahren. Falls ja, kann zwischen verschiedenen Intentionen des Kollektivgutschutzes unterschieden werden. Hier reicht die Skala von nicht-intendiertem Schutz, der zufällig aus privat motivierten Regulationsoutputs entsteht, über Kollektivgutschutz als Nebenziel der Regulation bis zu Regulationsoutputs, in denen der Schutz von Kollektivgütern das Hauptanliegen ist. Eine Evaluation des tatsächlichen Einflusses des Regulationsoutputs auf das zu schützende Kollektivgut kann im Rahmen dieses Designs nicht erfolgen. Die Analyse des Schutzes von Kollektivgütern kann empirisch aus den Zielen und Berichten der Regulationen rekonstruiert werden. - FOut2 Nichtdiskriminierung
-
Nichtdiskriminierung soll hier erfassen, wer Zugang zum Regulationsoutput hat. Schützt die Regulation ein Kollektivgut, ist Nichtdiskriminierung gegeben. Nichtdiskriminierung auf der Output-Ebene ist von Inklusivität auf der Input-Seite unabhängig, da es möglich ist, dass ein Regulationsoutput ohne eine breite Stakeholderbeteiligung zustandekommt, aber der Regulationsoutput trotzdem allen Stakeholdern zur Verfügung gestellt wird. Für Fälle, in denen kein Kollektivgut bereitgestellt wird gilt: Ist der Regulationsoutput einem breiteren Kreis als lediglich den beteilgten Stakeholdern zugänglich, erscheint die Regulation eher als legitim. Der Zugang ist nicht diskriminierend, wenn er an keine speziellen Bedingungen geknüpft ist. Dies bedeutet im optimalen Fall dass jeder Zugang zum Regulationsoutput, also zum Beispiel zu einem Regelwerk zur Produktion von Gütern oder einem Streitschlichtungsmechanismus hat, unabhängig davon ob er selbst an der Schaffung und Unterhaltung der Regulationsinstitution beteiligt ist. Neben dieser gemeinnützigen Regulationsform sind schwächere Formen möglich. So zum Beispiel, wenn nur Mitgliedern der Regulationsinstitution der Zugang gewährt wird, oder noch schwächer, wenn selbst unter den Mitgliedern unterschiedlich verteilte Zugangschancen zum Regulationsoutput bestehen.
Operationalisierung: Der Zugang zum Regulationsoutput – also zum Beispiel Standards, Know-How, Wissen – müsste im institutionellen Regelwerk der Regulation geregelt sein. Folglich müssen sich hier entsprechend dem oben genannten Spektrum folgende Ausprägungen der Zugangschancen zum Regulationsoutput finden lassen: i) binnendiskriminierende Institutionen, die auch innerhalb ihrer Mitgliederstruktur unterschiedliche Zugangsregeln zum Regulationsoutput haben, ii) extern-diskriminierende Institutionen, die nur Mitgliedern Zugang gewähren, iii) begrenzt nichtdiskriminierende Institutionen, in denen ein Teil des Regulationsoutputs der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird sowie iv) nichtdiskriminierende Institutionen, die freien Zugang zum Regulationsoutput gewähren. - FOut3 Reziprozität
-
Reziprozität soll hier als die Aussicht auf gleichmäßige Verteilung der Vorteile und Nachteile aus dem Regulationsoutput verstanden werden. Damit ist gemeint, dass die Konsequenzen der Regulation gleichmäßig zwischen den Mitgliedern der Regulationsinstitution, aber auch den Stakeholdern, verteilt sind. Wäre dies nicht der Fall, würden Macht und Einflussunterschiede dazu führen, dass die Gewinne, die aus der Regulation entstehen, wenigen überproportional zum Vorteil gereichten, während die Verluste sozialisiert werden können. Reziprozität unterscheidet sich von Nichtdiskriminierung, da auch ein nichtdiskriminierender Regulationsoutput unterschiedliche Vorkehrungen für den Genuss von Gewinnen vorsehen kann: so kann beispielsweise auch der Schutz eines Kollektivgutes so organisiert sein, dass die Kosten für den Schutz ungleich verteilt sind.
Operationalisierung: Reziprozität kann in den Regeln der Institution festgeschrieben sein. Ist dies nicht der Fall, müssen die Verteilungseffekte extern bewertet werden. Problematisch wird in der empirischen Bewertung, dass die Verteilung von potentiellen Gewinnen und Verlusten unterschiedlich geregelt sein kann. Entsprechend müssten sich die folgenden Grade von Reziprozität im institutionellen Design feststellen lassen: i) Institutionen mit geringer Reziprozität, in denen die Gewinne von privilegierten Mitgliedern überproportional abgeschöpft werden, ii) Institutionen mit hoher Reziprozität, in denen die Gewinne lediglich zwischen den Mitgliedern gleich verteilt werden sowie iii) Institutionen mit vollkommener Reziprozität, in denen teilnehmende und andere Stakeholder gleichermaßen von Gewinnen aus dem Regulationsoutput profitieren. Gleiches gilt, mutatis mutandis, für die Verluste. Eine Regulationinstitution ohne jegliche Reziprozität ist unwahrscheinlich, da ohne minimale Reziprozität keine Anreize zum Beitreten oder Gründen von Regulationsinstitutionen bestünden.
</p>
</td> |
</p>
Faktor |
</p>
Frage |
</p>
Operationalisierung | </tr>
</p>
Input-Dimension |
</p>
FIn1 Inklusivität |
</p>
Wer nimmt teil? |
</p>
Regeln zur | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FIn2 |
</p>
Welche |
</p>
Institutionelle Regeln zur | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FIn3 |
</p>
Welche |
</p>
formale und habituierte | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FIn4 |
</p>
Wer kann über die |
</p>
institutionelle Checks | </tr>
</p>
Output-Dimension |
</p>
F Out1 Schutz von |
</p>
In welchem |
</p>
Intentionalität des | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FOut2 |
</p>
Wer hat |
</p>
Zugang zum | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FOut3 |
</p>
Wer profitiert |
</p>
Verteilung der Gewinne | </tr>
</p>
</td> |
</p>
</td> |
</p>
Internationale |
</p>
Transnationale | </tr>
</p>
</td> |
</p>
</td> |
</p>
International Labour |
</p>
Fair Labor | </tr>
</p>
Input-Dimension |
</p>
FIn1 Inklusivität |
</p>
beschränkt inklusive |
</p>
beschränkt inklusive | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FIn2 |
</p>
durch eine Gruppe |
</p>
weitgehend machtfrei | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FIn3 |
</p>
vollständige |
</p>
vollständige | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FIn4 |
</p>
mittlere |
</p>
mittlere | </tr>
</p>
Output-Dimension |
</p>
F Out1 Schutz von |
</p>
Kollektivgutschutz als |
</p>
Kollektivgutschutz als | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FOut2 |
</p>
nichtdiskriminierend |
</p>
nichtdiskriminierend | </tr>
</p>
</td> |
</p>
FOut3 |
</p>
vollkommene |
</p>
hohe Reziprozität | </tr>